Gedanken über das silo-denken Denken

Wenn die Lösung für ein Problem, das Problem für eine Lösung ist.

Linzer Worte  |  13. März 2024

Gedanken über das silo-denken Denken

Geschrieben von Alexander Jungwirth

Einleitung

An was denken wir, wenn der Begriff Silo-Denken fällt? Welche Gedanken entstehen in unserem Kopf? Haben diese Gedanken den Charakter einer Analyse oder eher einer negativ konditionierten Bewertung?

Schauen wir mal, wo mich diese drei Fragen hinführen. Wer es gerne kurz und knapp möchte, kann zum Abbinder runterscrollen.

Die falsche Fährte

Der Begriff Silo-Denken führt einem gerne auf die falsche Fährte, welche unter Umständen die Schlussfolgerung hervorbringt, dass Silo-Denken eine innewohnende Eigenschaft von Menschen, wie Sturheit oder Engstirnigkeit, ist. Das erzeugt, nicht zu selten, einen Konflikt auf der Beziehungsebene. Das ist auch der Grund warum ich ihn nicht verwende.

Doch was kümmert es die Welt, ob ich den Begriff verwende oder nicht. Er ist da und wird gerne benutzt. Nämlich dann, wenn die vom Management initiierten Veränderungs-Programme mit dem Auto-Immunsystem der Organisation zu kämpfen haben. In diesem Fall hat der Begriff Silo-Denken eine entlastende Funktion für das Veränderungs-Programm, welches nicht planmäßig vorankommt. Eine Entlastung über die Schuldzuweisung an ein silo-denken Denken.

Was verbirgt sich hinter dem Begriff Silo-Denken?

Ralf Haase schrieb dazu in einem LinkedIn-Kommentar: „Silodenken ist nicht die Ursache eines Problems – es ist die Lösung eines Problems!„. Welche Lösung für was könnte das sein? Und warum reagiert das Auto-Immunsystem der Organisation, wenn Veränderungsprogramme wie die der digitalen Transformation so wichtig erscheinen?

Ab-Teilungen in Funktionen

In vielen Unternehmen, ab einer bestimmte Größe, handelt man sich Ab-Teilungen ein. Es wird Ordnung hergestellt. In diesen Ab-Teilungen befinden sich dann wiederum Funktionen, die von Menschen ausgeführt werden. Es ist eher selten zu beobachten das Ab-Teilungen einen Wertstrom abbilden und die Verwaltungseinheiten diesen zentral zuarbeiten. Der etablierte Zustand ist eher, dass zum Beispiel alle IT-Experten in der IT-Abteilung zusammengefasst werden. Diese ist wiederum in Funktionsabteilungen unterteilt. Da gibt es die Netzwerkgruppe, die Datenbankgruppe, die Clientgruppe, die Servergruppe, und so weiter.

Ab in die Teilung

Beginnt man in dieser Art von Unternehmens-Organisation zu arbeiten, wird man einer Funktionsabteilung zugewiesen. Ich habe selten beobachtet, dass neue Kolleginnen und Kollegen sich ihren Arbeitsplatz frei auswählen konnten. Oder das neue Mitarbeitende keiner Funktionsabteilung zugewiesen wurden. Diese Funktionsabteilungen haben ihre Sub-Kultur, Ziele, Regeln, Struktur und Schnittstellen. Die Kopplung mit den anderen Abteilungen findet über ausverhandelte Schnittstellen statt. Nicht zu selten koppeln sich an diese Schnittstellen operative Prozesse. Ganz nach dem viel zitierten Beispiel der Stecknadel-Produktion[1] von Adam Smith.

Wer in solchen Funktionsabteilungen arbeitet, passt sich an oder geht wieder. Anpassen bedeutet, sich der Sub-Kultur, Ziele, Regeln, Struktur und Schnittstellen der Funktionsabteilung unterzuordnen. Dies hat zur Folge, dass das beobachtbare Verhalten weniger ein Ausdruck der Persönlichkeit ist, sondern ein Ausdruck der Verhältnisse in der Arbeitsteilung. Man nennt diese Anpassung auch systemintelligentes Verhalten.

Es ist kein weiter Weg von der Funktionsabteilung zum Silo.

Die klassische Arbeitsteilung wurde zu einer Zeit erfunden, wo die Märkte träge, leer und groß waren. Man hatte Zeit eine Organisation zu beschreiben und zu bauen. Die ausverhandelten Schnittstellen zwischen den Arbeitsteilungen waren über einen längeren Zeitraum stabil. Die Zeit für Anpassungen war gegeben und ausreichend.

Diese Marktbedingung findet fast keine Organisation mehr vor. Die Dynamik des Marktes dringt mit ihren Überraschungen ungefragt in das Unternehmen ein und muss prompt behandelt werden. Die Schnittstellen und Prozesse von heute, die Garanten für Effizienz und Skalierung, können morgen schon unbrauchbar sein.

Ein Silo hat keine Fenster.

Die Grundbedingung für effiziente Arbeitsteilungen sind stabile synchrone Schnittstellen. Wenn diese durch laufende Veränderungen gestört werden, in einen asynchronen Zustand verfallen, verliert die Arbeitsteilung ihren funktionalen Zugang zur Umwelt. Ein Fenster nach dem anderen schließt sich und die vorherrschende Dysfunktionalität muss über die Linie oder Projekte kompensiert werden.

Im schlimmsten Fall, muss jeder Auftrag als Sonderauftrag behandelt werden. Sonderaufträge stehen nicht im Prozesshandbuch. Die Skaleneffekte verschwinden zusehends. Die Funktionsabteilung verliert in diesem Fall komplett ihre ursprüngliche Stärke. Die „fensterlose“ Funktionsabteilung bildet einen zusätzlichen Schutzraum aus.

Schutzraumbildung durch die Brille der Kybernetik

Wenn die Tätigkeiten einer Funktionsabteilung den Charakter von Sonderaufträgen haben und diese Funktionsabteilung für das Feedback-System-1[3] ausgelegt ist, dann läuft das Feedback-System-2 auf Hochtouren und produziert entlastende Sub-Routinen, um wieder in einen stabilen Zustand zu kommen. Für diese Sub-Routinen benutzt man in der IT den netten Begriff der Workarounds. Die Organisations-Soziologie bezeichnet es ein wenig härter als brauchbare Illegalität. Diese Sub-Routinen brauchen Schutzräume, die ihre (Über-)Lebensfähigkeit gewährleisten.

(M)eine Meinung

In den 15 Jahren als Akteur im Bereich DevOps[2] konnte ich einige dieser sogenannten Silos kennenlernen und beobachten. Die Menschen die darin arbeiten sind so vielfältig wie die Gesellschaft selbst. Die strukturellen Verhältnisse dagegen ähneln sich stark und durchlaufen eine Entwicklung, welche eine Reaktion auf äußere Dynamik ist.

Kommen wir nun zum Abbinder.

  • Es ist von Vorteil zwischen Funktionsabteilung und Silo zu unterscheiden.

  • Ein Silo entsteht von selbst, weil die Strukturen der klassischen Organisationsform, im Kern die klassische funktionale Arbeitsteilung, nicht für moderne dynamische Märkte entwickelt wurde.

  • Das vielzitierte Silo-Denken ist nichts weiteres als systemintelligentes Verhalten, das diese Verhältnisse provozieren.

  • Sich darüber zu beklagen, führt nicht weit. Also ran an die Verhältnisse.

 

Vielen Dank fürs Lesen, euer Alex

 

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Autor: Alexander Jungwirth 

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[1]Stecknadel-Produktion

Auszug aus dem Buch Der Wohlstand der Nationen (1776) von Adam Smith.

In der Art aber, wie dies Geschäft jetzt betrieben wird, ist nicht allein die ganze Verrichtung ein eigenes Gewerbe, sondern es ist auch in eine Anzahl von Zweigen eingeteilt, von denen die meisten ebenfalls eigene Gewerbe sind. Ein Mann zieht den Draht, ein anderer streckt ihn, ein dritter schneidet ihn in Stücke ab, ein vierter spitzt ihn zu, ein fünfter schleift ihn am oberen Ende, wo der Kopf angesetzt wird; die Verfertigung des Kopfes erfordert zwei oder drei verschiedene Verrichtungen; das Ansetzen derselben ist ein eigenes Geschäft, die Nadeln weiß zu glühen ein anderes; sogar das Einstecken der Nadeln in Papier bildet eine Arbeit für sich. Und so ist das wichtige Gewerbe, Stecknadeln zu machen, in ungefähr achtzehn verschiedene Operationen geteilt, die in manchen Fabriken alle von verschiedenen Händen verrichtet werden, während in andern manchmal derselbe Mann zwei oder drei verrichtet.

Ich habe eine kleine Fabrik dieser Art gesehen, wo nur zehn Menschen beschäftigt waren und manche daher zwei oder drei verschiedene Verrichtungen zu erfüllen hatten. Obgleich nun diese Leute sehr arm und darum nur notdürftig mit den erforderlichen Maschinen versehen waren, so konnten sie doch, wenn sie tüchtig arbeiteten, zusammen etwa zwölf Pfund Stecknadeln täglich liefern. Ein Pfund enthält über viertausend Nadeln von mittlerer Größe. Jene zehn Personen konnten mithin zusammen täglich über achtundvierzigtausend Nadeln machen. Jeder einzelne kann daher, da er den zehnten Teil von achtundvierzigtausend Nadeln machte, als Verfertiger von viertausendachthundert Nadeln an einem Tage angesehen werden. Hätten sie jedoch alle einzeln und unabhängig voneinander gearbeitet und wäre keiner für sein besonderes Geschäft angelernt worden, so hätte gewiss keiner zwanzig, vielleicht nicht eine Nadel täglich machen können, d.h. nicht den zweihundertvierzigsten, vielleicht nicht den viertausendachthundertsten Teil von dem, was sie jetzt in Folge einer geeigneten Teilung und Verbindung ihrer verschiedenen Verrichtungen zu leisten im Stande sind.

 

[2]DevOps 

Die DevOps-Bewegung ist im Kern eine Interessengruppe innerhalb der IT, welche sich seit 2009 mit Dysfunktionen in der Arbeitsteilung auseinandersetzt, um den Silobildungs-Prozess zu unterlaufen.

(M)eine Erklärung von 2010:

Zwei unterschiedliche Anforderungen prallen im System aufeinander.

Das Bedürfnis der Software-Entwicklung ist es, dem Fachbereich (Kunden) möglichst schnell die geforderten neuen Funktionen zur Verfügung zu stellen, bei einem agilen Vorgehen soll dies sogar in einer hohen Frequenz passieren. Je häufiger ein neues Feature kommt, desto positiver wird die Entwicklung wahrgenommen und entsprechend belohnt.

Der IT-Betrieb trägt die Verantwortung für die Verfügbarkeit und Stabilität der Anwendungen. Sein Erfolg wird daran gemessen. Um die Wahrscheinlichkeit für unerwartete Ausfälle zu minimieren, setzt der IT-Betrieb deshalb oft alles daran, den Zustand einer stabil laufenden Anwendung vor Änderungen zu schützen.

 

[3]Feedback-System-1

Die erste Rückkopplungsschleife (Feedback 1) kann man sich als Mechanismus vorstellen, der sich selbst nicht ändern kann. Es ist statisch, während die zweite Rückkopplungsschleife (Feedback 2) in der Lage ist, einige Parameter zu bedienen, so dass sich die Struktur ändern kann, was zu einem neuen Verhalten führt.

Die zweite Rückkopplungsschleife wirkt nur, wenn die wesentlichen Variablen in Frage gestellt werden, oder das System nicht im Gleichgewicht ist. Bei der ersten Rückkopplungsschleife werden keine Entscheidungen getroffen werden. Es ist einfach ein Aktionsmechanismus. Es macht weiter, was vorher funktioniert hat, während die zweite Feedback-Schleife den Aktionsmechanismus ändert, um ein neues Verhalten zu erzielen.

Gelingt es dem neuen Verhalten, die wesentlichen Variablen beizubehalten, wird die neue Aktion fortgesetzt. Wenn das System in der Lage ist, der neuen Situation aus der Umwelt zu begegnen, spricht man von der erforderlichen Vielfalt. Das Gesetz der erforderlichen Vielfalt wurde von Ross Ashby beschrieben. Es besagt, nur Vielfalt kann Vielfalt absorbieren. Die Umgebung besitzt immer weit mehr Vielfalt als das System. Das System muss Wege finden, die ankommende Vielfalt zu dämpfen und seine eigene Vielfalt zu verstärken, um die wesentlichen Variablen zu erhalten.

Quelle: https://harishsnotebook.wordpress.com/tag/ashby/

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